frankågunnar, Bariton & Klavier
Franz Schubert – Schwanengesang

Schuberts letzte größere Komposition, ungewohnt interpretiert

Der Wiener Sänger Johann Michael Vogl gilt als der erste Interpret von Franz Schuberts Liedern. Aber es gab noch einen anderen ersten Sänger: Schubert selbst. Und wir können nur darüber spekulieren, wie seine Stimme klang. Der Musikkritiker Harold Schonberg behauptet, Schubert habe „mit der Stimme eines Komponisten” gesungen – und das ist kein Kompliment. Aber er sang vor einem Kreis von Freunden und Gönnern in Wiener Privathäusern und begleitete sich selbst auf dem Hammerklavier. Er war der erste in einer fast 200-jährigen Reihe von Interpreten. Nun hat sich das Duo Duo frankågunnar Schuberts Schwanengesang D 957 angenommen. Die beiden MusikerFrank Havrøy und Gunnar Flagstad sind einige Risiken eingegangen, haben einige Entscheidungen getroffen, um ihre Interpretation des Schwanengesangs vom „Mainstream” der bewährten Aufführungspraxis abzuheben.

 

Es geht ihnen nicht darum, die Partitur akribisch wiederzugeben, sondern darum, den Liedern treu zu bleiben. Deren Authentizität beruht nicht darauf, die Noten auf dem Papier zu reproduzieren, sondern darauf, ein Gefühl der Dringlichkeit und des Ausdruckswillens zu erzeugen. Diese Dringlichkeit beruht nicht zuletzt auf dem Willen, zu experimentieren, sich zu erneuern und ererbte Wahrheiten in Frage zu stellen. Jeder einzelne Aspekt des Schwanengesangs ist dem Wandel unterworfen: die Rhythmen, die Harmonien, die Form, ja sogar die Melodien, die in unserem kollektiven musikalischen Unbewussten so tief verankert sind.

 

Havrøy und Flagstad gestalten Schuberts Schwanengesang mit Mitteln aus den Randbereichen von klassischer Musik, Musicals, Kabarett, Jazzstandards und verwandten Traditionen. Sie halten sich an das Grundformat des Liedes mit einer geschulten Stimme und einem von klassischen Fingern gespielten Klavier und gehen dennoch unerschrocken neugierig mit der Partitur um. Manchmal fühlen wir uns bei ihrer Interpretation der gewohnten Hörtradition nahe, doch immer wieder werden wir durch Wendungen in Havrøys Stimme oder Überraschungen in Flagstads Klavierspiel daran erinnert, dass wir uns tatsächlich im Hier und Jetzt befinden und nicht in einem imaginären Wien der 1820er-Jahre.

 

Wäre der Schwanengesang eine Architektur, ginge es bei Havrøys und Flagstads Projekt nicht um eine sorgfältige Renovierung und Restaurierung. Es würde darum gehen, das Gebäude zu transformieren, ohne Angst davor, die Berührungspunkte zwischen Alt und Neu sichtbar werden zu lassen. Die Musik des 19. Jahrhunderts kann neu erdacht werden, so wie ein guter Architekt Ziegel und Mörtel zu einem neuen Zweck für seine eigene Zeit umgestalten kann.


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